Forum kritische gerontologie im internet
Altenhilfe und Gerontologie im Internet
Über das Internet wurde in den letzten Jahren so viel geschrieben, daß hier zur Einführung daran erinnert werden soll, was das Internet nicht (mehr) ist. Das Internet ist kein Computernetzwerk für die amerikanische Armee. Es ist kein Verbund der Rechenzentren von Universitäten und Forschungseinrichtungen. Es ist auch nicht das Medium einer herausragenden 'Infoelite'. Wer im Internet Informationen sucht, muß schon lange nicht mehr wissen, was Usenet bedeutet, was Archie, Gopher, Veronica oder das Telnet sind. Über das World Wide Web stehen jedem alle Möglichkeiten auch ohne besonderes Hintergrundwissen per Mausklick zur Verfügung. Erforderlich sind allein der Zugang zu einem Computer, eventuell ein Modem, wie sie heute bereits für DM 50,- verkauft werden sowie die Übung, wie man ein Programm (den 'Browser') startet und eine Maus bedient. Bereits die drei großen Online-Dienste T-online, AOL und Compuserve haben zusammen etwa zwei Millionen Nutzer. Hinzu kommen die Zugangsmöglichkeiten an Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten. Das Internet ist - neben den Printmedien, dem Radio und dem Fernsehen - schon heute die vierte Säule moderner Massenkommunikation. Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick, wie sich 'Provider' der Altenhilfe das Netz nutzbar machen können.
Informationssuche im World Wide Web
Wer im Internet nach Informationen zu Themen der Altenarbeit und Gerontologie sucht, kann zunächst den Eindruck unendlicher Informationsfülle bekommen. Sucht man in den großen internationalen Search Engines wie Altavista oder Lycos nach beliebigen Stichwörtern, erzielt man leicht hunderte von 'hits'. Davon wird man eventuell 10 oder 20 Adressen sichten. Brauchbare Informationen werden nur im Glücksfall dabei sein. Der Grund ist, daß allgemeine Standards für die Erfassung von Angeboten im Netz, wie sie sich etwa im Buchbereich in jahrhundertelanger Tradition entwickelt haben, noch nicht existieren und wegen der Flüchtigkeit der Inhalte auch schwer umzusetzen sind. Hinzu kommt die Beobachtung, daß im Netz zwar mehr und mehr Informationen kostenlos zur Verfügung stehen, man aber eben nicht erwarten darf, daß etablierte Angebote, für deren Inanspruchnahme man bislang bezahlen mußte, nun gleichfalls ohne Anmeldung, Password und Kontonummer erreichbar sind. Wer etwa gezielt Literaturhinweise zur Gerontologie und Altenhilfe sucht, wird am besten weiter auf die gebührenpflichtige Datenbank 'Gerolit' zugreifen, die seit 1994 beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) beherbergt ist. Für kleinere Literaturrecherchen kann man allerdings auch über die Online-Kataloge von Bibliotheken zum Ziel kommen, die inzwischen fast überall über die Homepages von Universitäten und Fachhochschulen erreichbar sind. Die Adressen sind standardisiert, die Fachhochschule Fulda erreicht man etwa über 'fh-fulda.de', die Universität Göttingen über 'uni-goettingen.de'. Hier findet man zum Teil auch Rechercheoptionen in Bibliotheksverbünden und Zeitschriftenbibliographien.
Eine gewisser Fortschritt für die Orientierung im Internet ist die zunehmende Zahl regional oder inhaltlich spezialisierter Suchsysteme. Dazu zählen deutsche Suchmaschinen wie fireball.de, bellnet.de oder das fachbezogene Projekt 'geroweb', das inzwischen aber leider unbekannt verzogen ist.
Empfohlen werden kann auch
'ChristWeb.de', das seit dem 02.12.1996 eine Stichwortsuche nach deutschsprachigen christlichen und diakonischen Internetseiten ermöglicht. Auf der Eingabemaske erscheint u.U. die Meldung, daß die Suchfunktion vorübergehend nicht verfügbar sei. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, die Suche läuft (meist) tadellos.
Wer keine Lust hat, von den Suchmaschinen auf Seiten geschickt zu werden, die sich - nach zäher Übertragung bunter Grafiken - vom gesuchten Informationswert als Flop erweisen, sollte vielleicht besser auf eine der Link-Listen zurückgreifen, die mehr oder weniger fleißige Netz-Surfer zu den verschiedensten Themenbereichen zusammenstellen. Der Vorteil dieser Listen ist, daß hier (im Glücksfall) brauchbare Orientierungen zum Inhalt der angeführten Adressen zu finden sind. So bietet das Geriatrische Zentrum in Philadelphia eine empfehlenswerte Liste internationaler 'Internet and E-Mail Resources on Aging'.
Dort stehen nicht nur kurze Inhaltsbeschreibungen zu über 600 gut geordneten Adressen, sondern beispielsweise auch Warnungen vor langsamen Servern oder (infolge verspielten Layouts) unlesbaren Seiten. Immer auf dem neuesten Stand ist die gerontologische Adressenliste der Universität Utah, die aber leider fast nur Anbieter aus den USA berücksichtigt. Sehr empfohlen werden kann schließlich noch 'Medweb Geriatrics', das einen relativ umfassenden und laufend aktualisierten Katalog über geriatrische Informationen im Internet anbietet.
Im deutschsprachigen Bereich gibt es erfreulicherweise eine recht umfassende Liste über Internet-Seiten mit pflegerelevantem Inhalt.
Adressenlisten zu anderen Themen der Gerontologie und Altenhilfe findet man verstreut und von wechselhafter Qualität vom
Studiengang Sozialwesen der FH Fulda, dem Studiengang Geragogik der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel und der
Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf der FU Berlin.
Hier findet man auch Links zu anderen gerontologischen Instituten und Forschungseinrichtungen, die zum Teil aber außer Aufzählungen von Projektnamen wenig bieten. Manche dieser 'Informationsangebote' sind zudem seit ihrer Premiere vor drei oder vier Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Leider kommen die Anbieter oft nicht auf die Idee, ihre veralteten Seiten wenigstens wieder aus dem Netz zu nehmen.
Wer sich gezielt für die Altenhilfe einzelner Verbände der freien Wohlfahrtspflege interessiert, kann auf einer
Seite der Bundesarbeitsgemeinschaft starten, wo die Internetadressen der Bundesverbände aufgelistet sind. Ein Hinweis auf 'Diakonie.de', seit kurzem im Netz, fehlt dort aber noch.
Online-Journale
Nervtötend werden kann im Internet der Umstand, daß man nicht weiß, wann auf einer bestimmten Homepage neue oder ergänzende Informationsangebote verfügbar werden, besonders dann, wenn sie schon seit Monaten in Aussicht gestellt sind, jeder neue Besuch aber nur die bekannte Vorankündigung auf den Monitor holt. Um das zu vermeiden gibt es diverse Adressen, die ihr Angebot in regelmäßigen Abständen komplett überholen. Von hier ist der Schritt zum 'richtigen' elektronischen Periodikum nicht weit und mittlerweile stehen tatsächlich einige solcher Magazine zur Auswahl. Das Sanders-Brown Center on Aging bietet beispielsweise ein Journal zur Alzheimerschen Krankheit, das mit einer eMail-Adresse auch kostenlos abonniert werden kann.
(Eine sehr informative deutsche Seite zu Alzheimer mit einer Auflistung von Selbsthilfegruppen gibt es auch unter http://pluto.neurologie.uni-duesseldorf.de/~prior.)
Sehr beachtenswert ist 'Deutschlands erstes Ezine zur Pflege', wobei Ezine die etwas mißglückte Bezeichnung für 'elektronisches Magazin' ist. Das Journal selbst ist aber sehr informativ, Themen der letzten (März-)Ausgabe sind beispielsweise Maßnahmen zur Dekubitus-Prophylaxe oder die Vernetzung von Pflegehomepages im Internet. Alte Ausgaben und eine nach Kategorien geordnete Liste von 'Pflegefachleuten' (u.a. geriatrische Rehabilitation, Pflegeversicherung) stehen ebenfalls zum 'Download' bereit.
Mittlerweile sind auch viele der traditionellen Zeitschriften im Internet präsent. Die meisten bieten lediglich Kontaktmöglichkeiten per eMail und Einblick in das Inhaltsverzeichnis der neuesten und früherer Ausgaben(z.B.The Gerontologist, andere bieten eine gekürzte Version der gedruckten Fassung.*
Mailing-listen
Das Internet bietet die Möglichkeit, ohne Versandaufwand und Portogebühren Informationen an beliebig viele eMail-Adressen zu verschicken. Viele Einrichtungen - darunter seit neuestem das Diakonische Werk der EKD - bieten solche Verteiler an, die - da die Registrierung von Interessenten automatisch vonstatten geht - neben der Bereitstellung der Informationen keinen gesonderten Aufwand verursachen.
Newsgroups
Newsgroups sind thematisch spezialisierte elektronische Pinwände. Mit Netscape oder einem speziellen 'Newsreader' kann man dort Beiträge plazieren, auf die andere dann antworten können. Diese Gruppen sind zum Symbol moderner Kommunikation im Internet geworden. Tatsächlich führen aber viele Newsgroups ein kümmerliches Dasein und wer eine konkrete Frage hat, wird zum Teil lange warten müssen, eh eine sinnvolle Antwort kommt. Wie an anderen Pinwänden auch, finden sich - da Kontrolle kaum stattfindet - zudem immer wieder Beiträge, die mit dem Thema wenig zu tun haben. Wer sich einen Überblick verschaffen will, besucht vielleicht als erstes 'dejanews.com', wo seit kurzem eine gezielte Stichwortsuche in hunderten von Newsgroups möglich ist. Eine Teilnahme wert ist vielleicht die neue deutsche Newsgroup zur Altenhilfe. Im Moment ist noch unklar, welche Diskussionskultur sich hier entwickeln wird.
Daneben gibt es noch moderierte Foren, die auf verschiedenen Seiten angeboten werden. Durch Kontrolle der Beiträge kann hier leichter ein erkennbares Profil entstehen, Voraussetzung ist aber die gewissenhafte Betreuung, die viele Anbieter leider vermissen lassen. So kann es passieren, daß Sie der Einladung, eine Frage oder einen Kommentar zu schreiben, nachkommen, diese aber - weil das Forum nicht mehr betreut wird - nie erscheinen.
Die eigene Internet-Präsens
Wer in der sozialen Arbeit Menschen erreichen oder im neuen Sozialmarkt erfolgreich sein will, sollte auch im Internet existent sein. Das nicht nur, weil das Internet ein Massenmedium ist, über das schon heute sehr viele Menschen erreicht werden, darunter auch viele, die selbst keinen eigenen Computer und keinen Internetzugang haben, sich aber vermittelt über Angehörige und Bekannte Informationen aus dem Netz besorgen können.
Wichtig ist die Präsens im Netz aber vor allem, weil damit eine ganz spezifische Form der Kommunikation verbunden ist, die es so eben nur im Internet gibt.
Welche Kommunikationszwecke dabei gut aufgehoben sind und welche nicht, wird sich erst nach und nach herausstellen und in mancher Hinsicht von jedem Teilnehmer selbst erprobt werden müssen. Besonderheiten der Kommunikationsplattform 'Internet' sind z.B.
die Möglichkeit des anonymen Zugangs,
die Interaktivität, die es (bei gut gestalteten Seiten) ermöglicht, umfassende Informationen bereitzuhalten, ohne die Interessenten, die selektiv agieren können, damit zu erschlagen,
und geringe Barrieren für die Kontaktaufnahme; der Umgang im Netz ist traditionell lockerer, Kommentare, Nachfragen oder Bestellungen erreichen per Mausklick ihren Adressaten, umständliche Briefköpfe sind verzichtbar und als Absender reicht meist die eMail-Adresse.
Es gibt auch wenig Gründe, im Internet nicht präsent zu sein. Die meisten Provider bieten ihren Kunden einen gewissen Speicherplatz kostenlos, T-online beispielsweise pro Mitbenutzer 1 MB. Einrichtungen, die keinen eigenen Internet-Anschluß haben, können ihre Seiten auf freien Servern (z.B. 'geocities.com) oder in einem eigenen Verzeichnis unter der Homepage anderer Träger ablegen. Über 400 deutsche Städte und Ortschaften sind mittlerweile im Netz vertreten und auch hier haben in der Regel zumindest gemeinnützige Einrichtungen - wenn nicht gar, wie z.B. in Bremen
, jeder Bürger - die Möglichkeit, eigene Seiten kostenlos zu plazieren.
Das Erstellen der Seiten ist relativ einfach und dürfte für Einrichtungen, die auf schrilles Layout verzichten können (was den Übertragungszeiten und damit allen 'Besuchern' zugute kommt), auch ohne Inanspruchnahme kommerzieller 'Webdesigner' realisierbar sein. Für die meisten Textprogramme gibt es mittlerweile auch frei erhältliche 'Tools', die die Konvertierung 'normaler' Dateien in das erforderliche Format (HTML) automatisch durchführen (z.B. der 'Internet Assistant' http://microsoft.com/germany/download)für WinWord 6.0.
Vorsichtig sein sollte man allerdings mit Kommunikationsangeboten. Zeigt die Praxis, daß eMails unbeantwortet liegen bleiben und das Forum verwahrlost, sollten die entsprechenden Aufforderungen rasch wieder aus den Seiten entfernt werden.
Alte Menschen im Internet
Die Altenarbeit in der Bundesrepublik hat seit den 70er Jahren in der Ausführung ihres selbstvergebenen Bildungsauftrages inhaltlich und thematisch bisweilen danebengegriffen. Daß Lernen im Alter wichtig sei, galt als ausgemacht - was aber für ein erfolgreiches Altern zu lehren ist, blieb häufig unbestimmt und vage. Ob zum Beispiel die Weitergabe gerontologischer Theorien, die Kursleiter selbst an Fachhochschulen oder Universitäten beigebracht bekamen, dazugehört, wird mittlerweile bezweifelt. Angebote zur Heranführung an die Kommunikationsplattform 'Internet' mögen in einigen Jahren ähnlich skeptisch beurteilt werden. Zunächst aber sollte (Gruppen aus) den älteren Kohorten zumindest die Chance gegeben werden, das Netz auch für sich zu beanspruchen. Bislang nämlich ist alten Menschen der Zugang zu diesem neuen Medium faktisch weitgehend versperrt, und das nicht nur aus technikhistorischen Gründen. Internetkurse, Internetterminals werden fast ausschließlich dort bereitgestellt, wo jüngere Menschen sind - an Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten, in Jugendhäusern oder Internetcafes.
Inzwischen gibt es aber auch verschiedene Bemühungen, hier ausgleichend tätig zu werden. Besonders herverzuheben ist der Verein SeniorenNet, der sich zum Ziel gesetzt hat, "Senioren die Ängste im Umgang mit den neuen Medien und PC's zu nehmen und gleichzeitig Impulse zu setzen, um aktiv die neuen Medien im Alter zu nutzen."
Noch sind es überwiegend sehr 'junge Alte', die netzöffentlich in Erscheinung treten. 'Turbo-Senior' Schmidbauer ist 56 und in etwa diesem Alter sind die meisten 'Senioren', die man heute im Internet kennenlernen kann. Das Netz an sich bietet aber nicht nur Ressourcen für Menschen, die bereits nach klassischen Maßstäben als sehr mobil eingeordnet worden wären. Es gibt dieselben Kommunikationsmöglichkeiten auch jenen, die etwa infolge von Erkrankung oder Behinderung sonst nur begrenzte Integrationschancen haben. Hier unterstützend tätig zu werden, könnte für die soziale Altenarbeit eine lohnende Aufgabe sein.
Christian Carls
(Zuerst veröffentlicht in: Evangelische Impulse, 2/97)
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