Kritische Gerontologie im Internet |
Einführung Die Klage über negative Altersbilder in der Gesellschaft bildet eine der gängigsten Legenden in der pädagogischen, psychologischen und sozialpädagogischen Literatur zur Gerontologie und Altenarbeit. Sie bildet die Kontrastfolie für das 'neue', 'positive' 'Altersbild', das als Ergebnis 'gesicherten wissenschaftlichen Wissens' dargeboten wird. Gewappnet mit dem 'wissenschaftlichen Altersbild' wird mit aufklärerischem Habitus gegen fiktive Gegner zu Felde gezogen, die von falschen Stereotypen über das 'Alter' und 'alte' Menschen behaftet sein sollen. Diese Autopoiesis der Gerontologie soll zunächst anhand von Zitaten illustriert werden. Durch die Kumulation der Zitate wird hoffentlich schon einiges von der theoretischen Begrenztheit des Kampfes gegen das 'falsche Altersbild' deutlich, der nunmehr seit Jahrzehnten mit großem Eifer geführt wird. Weil damit auch das Verhältnis von Alternswissenschaften, sozialer Praxis und 'Betroffenen' beleuchtet werden soll, das sich in Deutschland z.T. anders darstellt als beispielsweise in den USA, sind die Illustrationen im wesentlichen begrenzt auf deutschsprachige Literatur. Die Klage über das 'negative Altersbildes in der Gesellschaft' ist ähnlich aber auch in der englischsprachigen Literatur anzutreffen, und einige Zitate daraus sind mit aufgenommen, um Bezüge und Parallelen aufzuzeigen, Auf die Illustrationen folgt eine Kritik an der Debatte um Altersbilder, die kleineren und größeren Ungereimtheiten in der Geschichte vom 'negativen Altersbild' nachgeht. Im Kern der Kritik geht es um die Begriffsverwirrung, die entsteht, wenn aus der Metapher vom Altersbild im Verlauf des Forschungsbetriebs (Operationalisierung und Messung) ein messbares Persönlichkeitsmerkmal wird. In der Kritik wird gezeigt, daß die Geschichte vom 'negativen Altersbildes in der Gesellschaft' vielfach auf begrifflichen Unschärfen und unzulässigen Dramatisierungen beruht. Die Vielschichtigkeit und Kontextualität von Altersbegriffen im alltäglichen Sprachgebrauch wurde in der untersuchten Literatur fast durchgehend ignoriert. Der Komplexität des Verhältnisses von Kohorten untereinander und der Verwendung von Altersbegriffen wird man sich nach meiner Überzeugung erst wieder gewinnbringend zuwenden können, wenn der Begriff vom 'Altersbild' dem Jargon des Kampfes gegen das 'negative Altersbild' entzogen wird. Statt Altersbilder zu messen, könnte der Begriff des 'Altersbildes' wieder verwendbar werden als eine Metapher für einen vielschichtigen und komplexen Gegenstandsbereich. Wer sich von der Kritik überzeugen läßt, kann, wenn er/sie möchte, aus den anderen Abschnitten noch einen Eindruck von verschiedenen Kunstgriffen gewinnen, mit denen das 'negative Altersbild' ausgemalt wird. Man erhält dabei schon erste Hinweise auf die ideologischen Hintergründe des 'neuen Altersbildes'. Wer sich der Methodenskepsis in der Kritik nicht anschließen mag: In den anderen Teilen der Kritik wird gezeigt, daß selbst bei Respektierung des dominierenden Methodenkanons der Altersbildforschung Belege für das 'negative Altersbild' in der Gesellschaft, in den Medien, in der frühen Gerontologie usw. überraschend rar sind. Um auf dieser Ebene den Verfechtern des 'neuen Altersbildes' überhaupt begegnen zu können, werden die dargelegten prinzipiellen Zweifel am Konstrukt des 'Altersbildes' und den Methoden seiner Erforschung zwischendurch immer wieder zurückgestellt. So kommt es vor, daß 'empirische Befunde' zu einem positiven 'Altersbild' in der Gesellschaft angeführt werden, obwohl deren Validität in der Regel sicher genauso in Frage gestellt werden könnte wie die Validität zentraler Begriffe in jenen Studien, in denen ein negatives 'Altersbild' erfragt wurde. In den Interpretationen werden zum Schluss Thesen zu den verborgenen Botschaften der Inszenierung vom Widerstreit der 'Altersbilder' vorgetragen.
Auszug aus: Christian Carls: Das Neue Altersbild.
Weitere Linkhinweise: Homepage:
www.ccarls.de
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